Pflanzenkläranlagen

In der Literatur und in den einschlägigen Regelwerken wird eine Pflanzenkläranlage auch als Pflanzenbeet, Schilfbeet oder Schilfkläranlage bezeichnet. Auch technische Bezeichnungen wie bepflanzter Bodenfilter oder bepflanzter Filter sind üblich. Die Anlagen bestehen aus einem durchlässigen Filtersubstrat und sind bepflanzt mit feuchtigkeitsliebenden Pflanzen. Unterschieden werden Anlagen mit einem vertikalen oder horizontalen Fließvektor. Betreiber einer Pflanzenkläranlage bezahlen keine Anschlussgebühren oder Abwasserbeiträge. Sie sind jedoch verpflichtet die Funktion der Anlage regelmäßig den Wasserbehörden nachzuweisen. Dafür müssen sie einen Wartungsvertrag mit einem geeigneten Unternehmen vorlegen.

Pflanzenkläranlagen sind begehbar. Es bilden sich keine offenen Wasserflächen. Ein Kontakt mit Abwasser ist ausgeschlossen.

Der bepflanzte Bodenfilter reinigt auch im tiefen Winter das Abwasser, obwohl das Schilf oberflächlich abgestorben ist.

Eine Schilfkläranlage kann auch nahe beim Wohnhaus errichtet werden. Es gibt keine Geruchsbelästigungen.

Stromlos und störungsfrei. Die Pflanzenkläranlage der Familie Bender ist seit 1993 im hessischen Gambach in Betrieb.

Reinigungsprozesse in einer Pflanzenkläranlage

Wie bei allen Kläranlagen erfolgt die biologische Reinigungsleistung in einer Pflanzenkläranlage durch Mikroorganismen. In technischen Anlagen siedeln diese auf einem Festbett, einem Tropf- oder Scheibentauchkörper, und das Schmutzwasser wird durch Pumpen oder sich bewegende Teile mit Sauerstoff angereichert. Bei anderen technischen Systemen treiben sie auf Schlammflocken im Abwasser, in das Luft vom Behälterboden eingeblubbert wird. In den Schilfkläranlagen leben die Mikroorganismen auf der Oberfläche des Substrates und ernähren sich von der Schmutzfracht, die das Abwasser mit sich führt. Der poröse Boden in Kombination mit dem Wurzelwerk der Pflanzen bildet ein ideales Milieu für den Prozess der Abwasserreinigung. Neben dem biologischen (mikrobiellen Abbau), spielt auch ein mechanischer (Filterwirkung) und ein physikalisch-chemischer Prozess (Adsorption und Fällung) eine wichtige Rolle bei der Abwasserreinigung.

Bei Untersuchungen an unseren Bodenfiltern konnten wir feststellen, dass die organische Verschmutzung bereits in den obersten Bodenschichten durch mikrobielle Aktivitäten um bis zu 90 % reduziert wird. Voraussetzung für einen guten Kohlenstoffabbau ist die regelmäßige Versorgung der Mikroorganismen mit Sauerstoff. Diese wird durch eine intermittierende, also eine Beschickung mit abwechselnd längeren Trocken- und Nassphasen erreicht.

Im häuslichen Abwasser kommt Stickstoff in Form von Ammoniumstickstoff (NH4-N) vor. Ammoniumstickstoff kann sich im Gewässer in das toxische Ammoniak umwandeln und wird dann zu einer Gefahr für die Gewässerfauna. Stichwort: Fischsterben.
In unseren vertikal durchströmten Pflanzenkläranlagen wird der Ammoniumstickstoff durch sauerstoffliebende (aerobe) Mikroorganismen dem Abwasser entzogen und in den oberen Bodenzonen zu Nitrat umgewandelt. Dieser Nitrat-Stickstoff (NO3-N) bleibt als Endprodukt der Nitrifikation in dem behandelten Abwasser. Für die Entfernung von Nitrat-Stickstoff ist eine weitere Klärstufe notwendig, in der eine Denitrifikation stattfindet.

Wenn eine Denitrifikation des Nitrates gefordert wird, schalten wir unseren vertikal durchströmten Filtern z. B. einen üppig bepflanzten Teich nach. Das Abwasser wird gezielt in die tieferen Wasserschichten eingeleitet und dort wird unter anaeroben Bedingungen aus Nitrat-Stickstoff (NO3-N) Luftstickstoff (N2) reduziert. Dieser Stickstoff entweicht dann in die Atmosphäre oder wird in den Pflanzen gebunden.

Bei einer Pflanzenkläranlage wird Phosphat teilweise über biologische Prozesse dem Abwasserstrom entnommen und in den Pflanzen eingelagert. Es sind Mikroorganismen, die in einem wechselnden Milieu aus sauerstoffreichen und -armen Zonen leben und dort für eine Phosphorreduzierung auf biologische Weise sorgen. Phosphor kann auch im Bodenfilter oder in einer nachgeschalteten Einheit festgelegt werden, durch den Einbau von Substraten, die einen hohen Anteil an Eisen- und Aluminiumsalzen aufweisen, an denen sich Phosphate durch Adsorption binden.

Der menschliche Körper wird von Millionen von Bakterien besiedelt ohne die z.B. der gesamte Stoffwechsel zusammenbrechen würde. Krankheitserregende Bakterien oder pathogene Keime findet man häufig im Abwasser, da diese vom menschlichen Körper auf eine natürliche Art und Weise ausgeschieden werden. Gelangen solche Erreger zurück in einen menschlichen Körper besteht die Gefahr von Infektionen und Krankheiten.

In Deutschland gehört die Keimelimination in Klärwerken zum Stand der Technik. Hier zu Lande liegt der Focus der Ingenieure bereits auf der Entwicklung von Reinigungsstufen, die in der Lage sind Arzneimittelrückständen und Mikroplastik aus dem Abwasser zu entfernen. In weiten Teilen der Welt dagegen stellt Abwasser immer noch ein erhebliches Infektionsrisiko dar. Dieses gilt es zu reduzieren, daher muss bei der Planung einer Kläranlage die Keimelimination Vorrang haben, jedoch möglichst nicht in dem die Abläufe noch gechlort werden.

Es ist vielfach dokumentiert, dass Pflanzenkläranlagen sehr gut fäkal coliforme Keime reduzieren. Diese Beobachtung konnten wir eindrucksvoll an einer unseren Kläranlagen in Paraguay nachvollziehen. Seit Juli 2014 reinigt eine Pflanzenkläranlage das Abwasser aus einem Hühnerschlachthof. Die Anlage ist für 400 m³/d ausgelegt, wird allerdings täglich mit bis zu 800 m³/d beschaufschlagt. Die Anlage wird monatlich beprobt, dabei zeigt sich dass die Keimreduzierung auch bei hydraulischer Überlast sehr gut funktioniert.

Itá, Paraguay, „Pollo Don Juan“. Im Juli 2014 wurde die Anlage in Betrieb genommen. Seither liegt die Keimreduzierung durch den Bodenfilter fast durchgehend unter den Werten, die in der EU für Badegewässer verlangt werden. Das gereinigte Abwasser wird in dem Betrieb für die Fahrzeugwäsche und für die Bewässerung der Grünanlagen benutzt.

Die Rolle der Pflanzen in einer Pflanzenkläranlage

Dort wo die meisten Reinigungsprozesse stattfinden, also in den obersten Bodenzonen, ist auch das Wurzelwachstum der Pflanzen besonders ausgeprägt. In den gemäßigten Klimazonen hat sich die Verwendung von Schilfrohr (Phragmites australis oder Phragmites communis) bewährt. Schilf treibt jedes Frühjahr neu aus den Rhizomen, die im Boden überwintert haben. Die Pflanzentriebe durchwurzeln den Filterkörper hauptsächlich im oberen Drittel und bilden ein weitverzweigtes Geäst. Durch das Wachstum wird der Boden immer wieder neu durchdrungen, die zunehmende Wurzelmasse führt dazu, dass das Substrat über die Jahre sanft in die Höhe wächst. Dieses Ökosystem aus Mikroorganismen und Wurzelwerk erhält sich selber, solange die Versorgung mit Feuchtigkeit und Nährstoffen gewährleistet ist. Es ist ein komplett natürlicher Prozess, den wir über lange Zeiträume zum Zwecke der Abwasserreinigung nutzen.

Das Schilfrohr benötigt einen feuchten Standort, in der Natur finden wir es entlang von Seen, Flüssen und Entwässerungsgräben. Es kann lange Trockenzeiten überdauern oder ständig im Wasser stehen. Es verträgt regelmäßigen Schnitt aber nur, wenn die abgeschnitten Halme noch aus dem Wasser ragen, ansonsten ersticken die unterirdischen Pflanzenteile.

In den Tropen und großen Teilen der Subtropen kommt Schilf nicht vor. Dagegen finden wir Schilfrohr in weiten Teilen Europas und Asiens. Es gibt große Schilfbestände im Nahen Osten, im Zweistromland bis an die Ufer des Persischen Golfes. In Amerika auf dem gesamten Nordkontinent, bis weit in den Süden Mexikos. In Südamerika finden wir natürliche Vorkommen in den südlichen Anden und in Patagonien. Auch wenn all diese Vorkommen unter dem Sammelbegriff Schilf laufen, handelt es sich doch um regional verschiedene Unterarten. Bei der Auswahl von Schilfrohr für eine Pflanzenkläranlage sollten wir daher versuchen Ableger aus lokalen Beständen zu gewinnen. Bei Schilf gelingt dies besonders einfach über Halmstecklinge, die mit mindestens einem Halmknoten in den feuchten Boden gesteckt werden. Nach kurzer Zeit bewurzelt der Steckling am Knoten und es bildet sich einen neues Rhizom.

Natürliche Schilfbestände finden wir in allen gemäßigten Klimazonen, wie hier im Süden von Argentinien.

Im Irak und in Kuwait bilden natürliche Schilfrohrbestände bis zu 4 m hohe fast undurchdringliche Röhrichte.

Eine Pflanzenkläranlage muss nicht zwingend mit Schilf bepflanzt werden. Es gibt gute Gründe auch andere Pflanzen zu verwenden.

Klimatische Gründe: In großen Teilen der tropischen und subtropischen Klimazonen gibt es keine natürlichen Schilfbestände. Trotzdem angepflanzt zeigt es sich anfällig für Insektenfraß und ist konkurrenzschwach gegen andere Arten.

Ästhetische und ökologische Gründe: Eine Pflanzenkläranlage kann ein schönes gestalterisches Element einer Außenanlage sein. Das indischen Blumenrohr (Canna indica) aus der Pflanzenfamilie der Blumenrohrgewächse (Cannaceae) bietet eine Vielzahl von Varietäten mit herrlichen Blüten. Das Caña de India liebt den feuchten, nährstoffreichen Standort einer Pflanzenkläranlage solange diese nicht überstaut ist. Sie verbreiten sich sehr gut über Rhizomwachstum und können in kürzester Zeit imposante Bestände bilden.
Die zahlreich gezüchteten Hybriden bestechen durch ihre großen Blüten, die allerdings steril und unfruchtbar sind. Die auf dem amerikanischen Kontinent heimischen Wildarten dagegen bieten Nektar in ihren Blütenkelchen und werden gerne von Kolibris und großen Faltern besucht.

Kommerzielle Gründe: Es bietet sich an, den nährstoffreichen Standort eines Bodenfilters für wirtschaftlich nutzbare Pflanzenarten zu nutzen. Am CIATEJ in Guadalajara, Mexiko werden auf der Institut-eigenen Pflanzenkläranlage Schmucklilien (Agapanthus africanus) angepflanzt, vermehrt und verkauft. In Paraguay wächst der Pirí (Cyperus giganteus) gut auf dem wechselfeuchten Standort und bildet dichte Bestände. Die Halme des Pirí werden geerntet und zu Sichtschutzmatten verflochten.

Pflanzenkläranlage in Paraguay bepflanzt mit indischem Blumenrohr (Canna indica) und Pirí (Cyperus giganteus).

Schmucklilien (Agapanthus africanus) auf einer Pflanzenkläranlage der CIATEJ in Guadalajara; Mexiko

September 2013, die Pflanzenkläranlage an unserem Bürogebäude in Paraguay wurde in Betrieb genommen.

März 2014, nach 6 Monaten hat das Blumenrohr (Canna indica) einen dichten Bestand etabliert. Der wuchtige Taro (Colocasia spc.) tritt schon langsam in den Vordergrund und wird in den Folgejahren immer dominanter.

Verfahren und Funktionsweise

Die Abwasserreinigung in einer Pflanzenkläranlage erfolgt über zwei Stufen. In der mechanischen Stufe wird das Abwasser vorgeklärt und in dem Bodenfilter erfolgt die biologische Reinigung.

Die Vorklärung

Bei Kleinkläranlagen kommt als Vorklärung in der Regel eine Mehrkammergrube nach DIN 4261-1 zum Einsatz. Die erforderliche Größe der Mehrkammergrube beträgt 300 Liter pro Einwohner und mindestens 3.000 Liter.

Die Vorgabe für das Grubenvolumen stammt aus dem DWA-Regelwerk Arbeitsblatt DWA-A 262 Ausgabe November 2017 „Grundsätze für Bemessung, Bau und Betrieb von Kläranlagen mit bepflanzten und unbepflanzten Filtern zur Reinigung häuslichen und kommunalen Abwassers“
Jeder Branche sein Regelwerk!

In Ländern die mit weniger Regeln auskommen, planen wir meist deutlich kompaktere Klärgruben als das deutsche Arbeitsblatt vorschreibt. Die Anlagen funktionieren tadellos, die Ausführungspläne werden auf die verfügbaren Materialien und das handwerkliche Know-how der lokalen Maurer zugeschnitten.

Mehrkammerabsetzgrube in monolithischer Ausführung inkl. Kranentladung, Standard in Deutschland

Mehrkammerabsetzgrube selbst gemauert und wasserdicht verputzt in Paraguay

Die Bodenfilter – Horizontal durchströmt

Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre begannen die ersten Bundesländer ihre Wasserhaushaltsgesetze zu verschärfen. In Zukunft mussten den bestehenden Absetzgruben biologische Klärstufen nachgeschaltet werden. Das einzige naturnahe Verfahren neben den Abwasserteichen war damals die horizontal durchströmte Pflanzenkläranlage. Die Diskussion drehte sich damals noch darum, ob als Filtermaterial ein eher bindiges oder ein durchlässiges eingesetzt werden sollte.

Abb.: Dreikammergrube, horizontal durchströmte Pflanzenkläranlage mit Zu- und Ablaufkulisse und einem Kontrollschacht

Bei der horizontal durchströmten Anlage wird das vorgeklärte Abwasser im Idealfall im Freigefälle in die Anlage geleitet. Der Zu- und Ablaufbereich besteht aus Drainagekies in der das Abwasser schnell einsickert bzw. abläuft. Eine Schicht Feinkies bildet einen Übergang zu dem eigentlichen Bodenkörper, der aus einem gut durchlässigen Sand besteht. Das Filtervlies, das in der Zeichnung noch zu sehen ist, verwenden wir schon lange nicht mehr, da sich entlang des Vlieses Sperrschichten gebildet hatten.

Horizontalbeet im hessischen Ortenberg, eine Anlage die seit 1994 ohne jegliche Funktionsstörung arbeitet.

Horizontal durchströmte Pflanzenkläranlage auf Teneriffa, bepflanzt mit Pfahlrohr (Arundo donax).

Vertikal durchströmter Bodenfilter

Die vertikal durchströmte Pflanzenkläranlage besteht aus der Vorklärung, der Beschickereinheit (Schwallbeschicker oder Pumpe) und dem Pflanzenbeet.
Der Substrataufbau gliedert sich in eine Drainageschicht bestehend aus einer abgestuften Kieskörnung, der Filterschicht aus einem sandigen Material und dem Zulaufverteiler.
Ziel ist es, das vorgeklärte Abwasser möglichst gleichmäßig über die gesamte Oberfläche zu verteilen. Das Abwasser sickert vertikal durch den Filterkörper und wird bei der Bodenpassage gereinigt.

Abb.: Anlagenbeschickung im Freigefälle mit Schwallbeschicker

Bei einem natürlichen Gefälle (Höhenunterschied von der Absetzgrube zur Einleitstelle mindestens 2 m) kann die Anlage stromlos betrieben werden. Notwendig für die Beschickung ist ein Mechanismus, der das Abwasser im Schwall auf die Kläranlage bringt. Denn nur durch den Druck, der infolge des Schwalls entsteht, kann sich das verzweigte Verteilersystem komplett füllen.

Wir haben einen vom Ingenieurbüro Karl Wursthorn entwickelten Schwallbeschicker über mehrere Jahre optimiert und verfügen nun über ein robustes und zuverlässiges Gerät.
Wir bieten die Schwallbeschicker mit drei verschiedenen Rohrdurchmessern an. Durch individuelle Auslegung der Hebellänge kann das Schwallvolumen an die Größe der Beetfläche angepasst werden.

Funktion eines Schwallbeschickers

Verteilerleitungen auf dem Vertikalfilter am Unterkrummenhof, die Anlage wird über einen Schwallbeschicker beschickt.

Dorweiler, kommunale Pflanzenkläranlage mit schwallweiser Beschickung im Freigefälle.

Abb.: Anlagenbeschickung mit Pumpe

Wenn kein natürliches Gefälle vorhanden ist, wird das Abwasser über eine Tauchpumpe auf die Beetfläche gefördert. Bei der Beschickung ist darauf zu achten, dass zwischen den einzelnen Pumpintervallen längere Pausen liegen, da es für die optimale Funktion einer Anlage notwendig ist, dass die Filter abtrocknen und ausreichend Sauerstoff in das Substrat nachströmen kann. Eine kurz- und mittelfristige hydraulische Überlastungen schadet der Anlage nicht, sie regeneriert sich sobald sich der Normalbetrieb wieder einstellt.

Bei lang anhaltender Überlast bildet sich eine Kolmationsschicht, eine dünne Schicht aus Algen und Bakterien, die die Durchlässigkeit deutlich reduziert. Eine solch kolmatierte Anlage funktioniert eingeschränkt, kann aber über längere Zeiträume betrieben werden.

Shanghai Yangshan Deep Water Port, China, Pflanzenkläranlage für ein Verwaltungsgebäude, Beschickung schwimmergesteuerte Tauchpumpe

Frigorífico Pollo Don Juan, Paraguay. Die Beschickung der Filterflächen erfolgt über trocken ausgestellte Kreiselpumpen.